Bericht: 5 Tage Trailing auf LaubJörn Kaufhold / Slowakei / Oktober 2017 Wie zum Teufel soll das gehen? Einer Fährte auf Laub folgen? So dachten wir zumindest nach unserer ersten Trailing-Prüfung im März dieses Jahres in der Lausitz, denn dort gab es große Sandflächen, wo einzelne Trittsiegel deutlich zu erkennen waren. Aber auf Laub? Um genau das zu testen haben wir uns für 5 Tage Trailing auf Laub verabredet. Wir sind Stefanie Argow von Hiddentracks, mein alter Kumpel und Waldschrat Immo Meyer und ich. Trailen wollen wir bei mir im slowakischen Vogelgebirge, in dem Ende Oktober genug Buchenlaub liegt. Hier also ein Bericht von den Tagen: 1. Tag Die Fährte führt zum Bach herunter, Brombeere sind plattgedrückt und ein Trittsiegel ist deutlich abgedrückt im weichen Boden. Hinter dem Bach steigt ein steiler Hang auf. Unvorstellbar, dass hier so ein schweres Tier wie ein Braunbär aufsteigt und keine einzige Spur hinterlässt. Sobald wir versuchen aufzusteigen, rutschen wir mit jedem Schritt ein wenig runter. Das dürfte dem Bären genauso gegangen sein, auch wenn seine Füße mit Krallen bewehrt sind. Sorgfältig prüfen wir, ob der Bär vielleicht nicht doch umgedreht oder durch das Wasser bachaufwärts oder -abwärts gegangen ist. Aber Fehlanzeige – eine Fährte finden wir nicht. Wir sind uns sicher, dass da eine Fährte ist, die wir nicht sehen. Vier Stunden mühen wir uns ab. Kraxeln den Hang hoch und runter, folgen der Fährte vom Graben rückwärts bis es nicht mehr weitergeht und liegen auf dem Bauch und starren in die Fragmente eines Bärentrittsiegels. Dabei lernen wir eine Menge über die Physiologie der Bärenfüße, wie man Vorderfüße von Hinterfüßen unterscheiden kann – aber die Fährte finden wir nicht. Mit einbrechender Dunkelheit gehen wir nach Hause. Weit gehen brauchen wir ja nicht bis zu unserer Hütte. Unser Fazit des ersten Tages ist, dass wir vermutlich dem Lehm „auf dem Leim“ gegangen sind. Denn Lehm hält lange die Details eines Trittsiegels fest, so dass wir die Spur wesentlich frischer eingeschätzt haben dürften, als sie wirklich war. Das würde zumindest erklären, warum wir so gar keinen weiteren Ansatzpunkt für den weiteren Fährtenverlauf gefunden haben. Entweder war die Fährte zu alt oder wir waren nicht gut genug, etwas zu sehen – eins von beiden. 2. Tag Auf dem Forstweg tun wir uns mehr als schwer den Übergang zu erkennen. Immer wieder abwechselnd versuchen wir den Irritationen im Laub zu folgen, die wir als Fährte erkennen zu meinen. Unsere Unsicherheit lässt uns permanent anhalten und vorsichtig wie Archäologen Blatt um Blatt abtragen und die darunterliegenden Trittsiegel überprüfen. Dadurch geht uns aber unweigerlich der Blick für den Verlauf der Fährte verloren. Wir sehen plötzlich überall Fußabdrücke und graben ständig etwas aus. Manchmal ist da was, manchmal ist da einfach nichts. So stehen wir mitten im Buchwald und stellen fest, dass wir vor lauter Laub nicht die Fährte sehen. Zumindest tröstet uns, dass der einsetzende Regen die Bauschkraft des Laubs mindert. Morgen wollen wir weniger graben und mehr trailen. 3. Tag Es regnet weiter, die Temperatur sinkt und wir finden nichts Frisches. Einmal verfolgen wir für einige Meter eine Fährte, doch dann wieder Verschwundikus ins Nimmerwiedersehen. Wir kommen einfach nicht rein ins Trailing, in dieses Gefühl auf einer Fährte unterwegs zu sein und nicht nur einzelne Trittsiegel miteinander zu verbinden. So entscheiden wir uns, gegenseitig Fährten zu legen. Zuerst gehen zwei von uns deutlich stampfend durch das Laub, während ein anderer wartet. Dann folgt der Wartende der Fährte. Das geht leicht und später wird nur eine Person gehen, ganz normal, was deutlich schwieriger ist. Das Spiel hilft uns ins Trailing einzutauchen. Wir hören auf einzelne Trittsiegel miteinander zu verbinden und mehr eine Linie von Irritationen im Boden zu sehen. Dabei merken wir, dass es auf die drei K´s ankommt: 1. Konturen 2. Kontraste 3. Konsistenz Und wir merken, dass es andere „Spurenfallen“ gibt als in der Lausitz, wo wir immer auf den nächsten Sandboden in Laufrichtung spekuliert haben. Hier sind es die Hänge, die verraten, dass ein Tier entlang gelaufen ist. Trockenes Laub auf ebenem Boden dagegen verrät nicht allzu viel. Kurz gesagt: wir fangen an auf Laub zu trailen. Am Ende des Tages steigen wir querfeldein ab. Aus über hundert Meter Entfernung entdecken uns drei Rehe, die im Galopp bergab flüchten. Wir finden ihre Fährte und folgen ihr für 60 – 70 Meter bergab, um sie an einer ebeneren Stelle wieder zu verlieren. Damit ist es amtlich – wir sehen Rehfährten im Laub. 4. Tag Die Fährte führt auf eine Rodung unter einer Überlandstromleitung. Sie ist dicht bewachsen mit Disteln und dornigen Gebüschen. Überraschenderweise finden wir einige Irritationen auf dem Boden, etwas krümelige Erde dort, ein halber Schalenabdruck da. So drücken wir uns einige Meter durchs Gesträuch bis ein Reh 10 Meter vor uns aufspringt und flüchtet. Klassischer Fehler. Wir waren zu schnell, zu eifrig. Wir hätten oben am Rand der Rodung stehen bleiben sollen und hätten warten sollen bis wir das liegende Tier wahrnehmen. „Hätte hätte Fahradkette.“ Zumindest haben wir so nach drei Tagen zum ersten Mal die Gewissheit, dass wir eine frische Fährte aufgenommen und bis zum Tier verfolgt haben. Zugegeben sehr kurz und am Abschluss müssen wir auch noch arbeiten, aber wir sind einen Schritt weiter und das werden wir am nächsten Tag auch deutlich merken. Flüsternd entscheiden wir ihm einen gebührenden Vorsprung zu lassen und ihm dann zu folgen. Der Wind frischt auf und ein Gemisch aus Hagel und Schnee liegt waagerecht in der Luft. An einer Bergnase verlieren wir seine Fährte, finden Sie aber nach ausführlichem Zirkeln wieder. Wir können in Minuten dabei zu sehen, wie sich die Trittsiegel verändern. Konnte man sich vorher noch auf Konturen im Laub verlassen, sind sie plötzlich verschwunden, stattdessen müssen wir uns jetzt auf weiße Flächen konzentrieren, die sich am Grunde des Fußabdrucks bilden. Nach 100 – 150 Metern bemerken wir über uns ein Rudel von Hirschkühen mit ihren Kälbern, ein Kahlwildrudel. Über eine große Distanz schauen wir uns beide aufmerksam an. Wir Menschen überlegen, wie die Hirschdamen jetzt reagieren werden – während die Hirsche wiederum vermutlich denken, was diese Menschen wohl vorhaben. Nach einigen Minuten zieht das Kahlwildrudel im entspannten Schritt bergauf weiter. Wir merken uns die Stelle, weil wir später wiederkommen wollen, um ihre Fährten zu verfolgen. Jetzt bleiben wir jedoch auf der Hirschfährte. Doch nach weiteren 100 Metern verlieren wir sie unter dem Schneebelag. Zeit für eine Mittagspause in unserer Hütte. Als wir wieder kommen ist der Schnee schon wieder geschmolzen, trotzdem finden wir recht schnell die Fährte des Kahlwildrudels. Das Laub liegt flach und der Boden ist sehr aufgeweicht und am Hang haben wir ein kräftiges Gefälle – alles gute Bedingungen, um der Fährte zu folgen. Nach einigen Dutzend Metern kommen wir an eine Stelle, wo einige Tiere sich gelöst haben. Vielleicht haben sie dort etwas auch gestanden, denn zunächst sehen wir nur ein großes Durcheinander und wir müssen eine Weile zirkeln um rauszukriegen, wo sie weitergezogen sind. Über eine lange Strecke können wir sie problemlos im Laub verfolgen: entweder sehen wir die Trittsiegel, aufgelockerten Boden oder Stellen, wo ein Fuß ausgerutscht ist. Das Kahlwildrudel zieht jetzt gleichmäßig bergauf, überquert einen Bach und erreicht ein Haselwäldchen, in dem der Schnee noch nicht getaut ist. Wir werden langsamer und vorsichtiger, weil wir vermuten, dass sie dort ruhen könnten. Was sie aber nicht tun, stattdessen trotten sie weiter bergauf, durch ein weiters Buchenwäldchen, über einen Weg, vor dem sie sich wie ein Trupp Soldaten auffächern, um dann eine offene Wiese zu erreichen. Hier bläst uns der Wind ordentlich Schnee ins Gesicht. Dort, wo der Wind frei über offene und ebene Flächen bläst, liegen die Trittsiegel unter einer geschlossenen Schneedecke begraben. Im Gras aber erkennen wir gut die Konturen und können der Fährte leicht folgen. Diese Wiese geht über in eine Ansammlung von Wacholdern, Schlehen und umgeworfenen Kiefern. Wir sind sicher: hier liegen sie jetzt! Doch Pustekuchen, auch hier ziehen sie weiter bis zu einer Hangkante, an der sie eine Weile südlich entlanglaufen, um dann senkrecht ins nächste Tal abzusteigen. Die Dämmerung sitzt uns im Nacken, trotzdem wollen wir das letzte Licht nutzen, stopfen uns zwei Riegel Schokolade in den Mund und hetzten hinter her, doch unten am Grund, wo sich das Wasser versammelt, um talabwärts zu fließen, ist Schluss. Die Dämmerung raubt uns die Sicht und wir entscheiden uns abzubrechen. Nachtrag:
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